Gedanken zur Digitalisierung…

stellen wir uns vor, daß wir unsere Arbeitsumgebung digitalisieren wollen. Arbeitsumgebung, nun, sei damit zum Einen der kleine, private „Workflow“ gemeint, z.B. das Digitalisieren (hier mal auf das Wort achten) von Papierunterlagen, oder die Reduzierung von Schriftverkehr auf Papier für – sagen wir mal – „wichtige“ Sachverhalte. Oder, zum Anderen, der professionelle Arbeitsablauf – also konkret: für unsere Arbeit.

Die Digitalisierung von vorhandenen Papierunterlagen kann stufenweise erfolgen. Irgendwann beginnt es, die ersten Fotos oder Scans, die mit den vorhandenen Geräten gemacht werden, landen „im Computer“. Das geht dann immer weiter: aus dem „im Computer“ entstehen neue Fragen, die beantwortet werden wollen, was mal ein Ordner mit Papier in einem Regal war, wird zu einer OCR-gescannten PDF, mit möglichst korrekt – automatisierter – Verschlagwortung und Einordnung in ein idiotensicheres Ablagesystem. Wichtigstes Kriterium hierbei ist dann zumeist: die Auffindbarkeit. Auch hier: in Stufen. Im schlimmsten Falle (oder im besten Falle, je nach Perspektive) die Auffindbarkeit überhaupt, so wie man es auch erleben kann.

Digitalisierung ist in diesem Beispiel ein Überbegriff, eine Monstrosität an Möglichkeiten in Bezug auf die Aufgabe: die Digitalisierung von Papierunterlagen. Dem Begriff der Digitalisierung wird man nicht gerecht, wenn die Gedanken dazu bei diesem kleinen Beispiel enden würden. Im Gegenteil: Digitalisierung ist als Monstrosität so viel mehr als das, so viel, daß auch der Versuch einer beispielhaften Aufzählung hier ihr immer noch nicht gerecht würde. Monstrosität kann negativ konnotiert eingeordnet sein, soll es aber hier nicht. Im Gegenteil: es soll die Vielseitigkeit und die Spannung der Aufgabe „zu digitalisieren“ vermitteln.

Hilfreich ist ein Blick auf die bekannte Metapher des Waldarbeiters, der vor lauter Arbeit keine Zeit hat seine Säge zu schärfen. Oder des Steinzeitmannes, der seinen Mitmenschen seine Erfindung vom Rad zeigen will, die aber keine Zeit haben, weil sie Steine schleppen müssen. Frisch verwendet wurde diese Metapher im Film Wickie und die starken Männer, als Wickie seinen Vater besiegte, weil er schneller einen Haufen schwerer Steine von einem zum anderen Ort transportiert hatte. Lange hatten alle den Eindruck, Wickie würde sicher verlieren, denn er bastelte erst an einer Schubkarre, während sein Vater schon viele der Steine per pedes getragen hatte. Der Punkt wird dadurch deutlich: die Spannung in der Digitalisierung liegt darin, am Ende zu gewinnen, obwohl alle diesen Erfolg nicht erwarten und in der gewohnten Arbeits- und Denkweise verharren. Verharren, weil die Fantasie fehlt. Oder weil der Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkannt wird und das Verhalten schon so automatisiert ist, daß kein Moment bleibt mal inne zu halten und darüber nachzudenken, was man da eigentlich tut und wie. Man muss es den Menschen nicht übel nehmen, daß es so ist. Es ist auch nicht immer und überall so. Viele würden gerne, wissen aber gar nicht, was mit ihnen passiert.

Nur manche wissen ganz genau und wollen nicht. Aber darum soll es hier gar nicht gehen.