Schlecht, wenn der Geburtstag der Freundin ausgerechnet auf das letzte Januarwochenende fällt. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als sein vorgenommenes Wintertreffen um etwa einen Monat zu verschieben, und zum alten Elefantentreffen am Nürburgring zu fahren.
Als altes Weichei steht die Wahl des Moppeds ausser Frage: die große Domi bleibt in der Tiefgarage, zudem ich schon seit langem wissen wollte, wie die alte 250er XL R sich auf einer weiteren Reise schlägt. 40.000km stehen auf dem Tacho, der Motor tropft am Zylinderkopf, und irgendwie ist der Lappen, den ich zwischen Rahmen und Motorschutz gequetscht habe auch wieder triefnaß vom Öl. Egal, die wichtigsten Dinge werden eingepackt:
Kleines, billiges Sommerzelt aus Nylon, alter zusammengedrückter Daunenschlafsack, der mittlerweile nicht mehr so richtig wärmen will, Handtuch und Waschzeug, das muß reichen.
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Bisher lief die Kleine nur auf kurzen Strecken, zwischen Heim und Arbeitsplatz. Und das auch nur im Winter, denn ein wenig Anspruch hat sich über die Zeit mit der großen Huddel schon entwickelt. Nun aber, nachdem Tankrucksack auf dem 11 Liter Behälter angebracht, und Zelt und Rolle am Heck verzurrt sind, machen sich die abgefahrenen Pirelli Reifen und die klackernde Kette bemerkbar. Das der Kolben einen Austausch nötig hat, merkt man besonders bei den Mithaltejagden auf langgezogenen Landstraßen und Steigungen.
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Ein ungesund metallisch klingendes Geräusch läßt mich immer wieder runterschalten, wobei sich die Drehzahlen des kleinen Einzylinders bei, für mein Gefühl, ungesunden 6-7000 Umdrehungen einstellen. Die Strecke wurde, wie immer, im Voraus ausgewählt; so ein Wochenende läßt nun mal leider nicht die Zeit, um große Umwege zu fahren.
Mein Kumpel hat es mit seiner zehn Jahre jüngeren XL 350 L etwas einfacher, bei ihm läßt sich der vorhandene Hubraum komfortabler nutzen. Entlang des Rheines bewege ich die kleine rote Honda, von Rüdesheim bis Bingen, um dann irgendwann durchs Moseltal zu kurven und schlußendlich in der Eifel, vom Gegenwind gepeinigt, endlich am Ring anzukommen.
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Die vielleicht 20 PS, die das Mopped noch bietet, haben schwer gegen die Eifelwinde zu kämpfen, die sich dem Fahrer auf den Höhen dieses Landstriches bieten. Schon vorher bemerke ich den ölverschmierten Hinterreifen bei eine Pause. Ein Glück das ich einen Liter Öl dabei habe. Nach dem Auffüllen ist der Behälter leer, hmm, anderthalb Liter sind glaube ich im Motor drin. Egal, der Kolben wird sowieso gewechselt, also kann auch das Getriebeausgangslager erneuert werden. Kommt alles nach dem Treffen.
Die dauernde Hochdrehzahl bei ca. immerhin 110-120 Stundenkilometern hat doch dem Lager entweder den Rest gegeben, oder aber es war schon kaputt, nur nie auf diese Weise beansprucht.
-Das ist übrigens Holgi mit meiner 250er...
Am Nürburgring angekommen wird erstmal Geld berappt. 35 Mark für die zwei Tage gehen eigentlich in Ordnung, denn der Campingplatz ist überraschend schön und die seltsamen Leute und Gefährte sind das Geld allemal Wert. Selten sieht man soviele Russengespanne mit fellmützbewehrten Wachscottonmantelträgern auf einem Haufen. Es scheint, als gäbe es diese Fahrerspezies nur hier und jetzt, ich frage mich, was die im Sommer für Geräte fahren.
Der Wind der so durch die Eifel zieht, schiebt unablässig an meinem billigen Sommerzelt, es dauert ein paar Minuten, bis wir einen guten, windgeschützten Platz entdecken.
Die Mehrheit der hier vorhandenen Leute scheinen mir aus dem Ruhrgebiet zu stammen. Der Akzent ist unverkennbar. Auch ist die mir bekannte Offenheit und Gastfreundlichkeit ein Grund mit, mich hier gleich sehr wohl zu fühlen. Vereinzelt brennen schon die ersten Feuer, obwohl es relativ mild ist, mit etwa 8 Grad am Tage. Aber die Nacht hat ja noch nicht begonnen. Ich war noch nie auf einem solchen Wintertreffen, gelesen hatte ich davon: daß es gegründet worden ist, irgendwann in den fünfziger Jahren von Klacks, dessen Buch über das gleiche Jahrzehnt ich gerade gelesen hatte. Schade das er nicht da war, aber er wird auch schon etwas älter sein, der Gute.
Leider sollte sich herausstellen, daß er noch im gleichen Jahr verstarb. Wenn ich schonmal irgendwas anfange, dann wie so oft reichlich spät.
-Direkt neben dem Platz liegt eine kleine Crossstrecke. Ich bin erstaunt wie sich eine Transalp behende über die Hügel, fliegenderweise, treiben läßt. Der Fahrer scheint mir Erfahrung und Können zu besitzen. Mein Kumpel Holger läßt sich das nicht zweimal sagen: bei uns in der Gegend ist ja Geländefahren überall verboten, also nutzt er die Gelegenheit und fährt den Rest des Tages auf der Strecke rum, während ich mich anderweitig umsehe.
Allgemein läßt sich erkennen, daß solch ein Spektakel vor allem in der Gruppe viel Spaß machen muß, denn die meisten hier kennen sich, entweder untereinander, oder eben vom Treffen.
BMWs und Dneprs, bzw. Urals und auch MZs sind hier vor allem in Gespannform eindeutig in der Überzahl. Interessant sind die Ausstattungen diverser Motorräder. Fellbezogene Sättel, mit Hörnern am Lenker und allerhand biologisch abbaubaren Anhängseln aus freier Wildbahn gesammelt hängen an den Huddeln und machen schon was her. Sieht zumindest sehr naturfreundlich aus das Ganze und ist sonst auf den Straßen selten bis nie zu sehen.
Einer hat ein riesen Zelt aus einzelnen großen Tüchern zusammengebaut, in dessen Mitte ein Feuerchen brennt. "Ist ne Dschurte", sagt er. "Was?", sage ich. Hier treffen sich gegen Abend immer alle Leute, behauptet er, kein Wunder, denn es ist geräumig und warm. Nach einer Minute verlasse ich allerdings mit brennenden Augen und ner Kohlenmonoxidvergiftung das Zelt. Ist vielleicht doch nicht so praktisch.
Aus Vorratsgründen verlasse ich mit Holger noch einmal diese Stätte und suche in einem nahegelegenen Ort einen Supermarkt auf.
Klasse, solch einenTante-Emma Laden gabs bei uns mal, als ich noch ganz klein war. Der Dialekt der hier gesprochen wird, erinnert stark an Heinz Becker, und das macht es ebenfalls sehr urig und gemütlich. Mit Salami, Käse und Brot ausgerüstet, sowie mit einer Tagesration Bier fahren wir zurück zum Platz. Unsere Ration Alkohol unterscheidet sich deutlich von denen hier sonst üblichen Mengen. Kistenweise schleppen die Gespanne hier Holz und Hopfen auf den Platz. Gegen Nachmittag kommt ein Argauer Schweizer mit seinem knallroten EGLI-Katana-Gespann und fragt uns nach dem Platz neben uns. Sicher darf er, hat ja auch ein nettes Mopped.
Je später der Abend dann wird, desto mehr Feuer werden entfacht, und desto alkoholbeflügelter wird die Atmosphäre. Das soll nicht heißen, daß es irgendwie unkontrolliert oder aggressiv zur Sache geht, nein, zu Unruhen kommt es zumindest in der Ecke, in der wir uns aufhalten, nicht. Nicht besonders ausgeschlafen und trinkfest gebe ich es schon relativ früh auf dem, Feuer der Nachbargruppe beizusitzen und lege mich in meinen Sommerschlafsack im Sommerzelt. Hier erfahre ich nun, obwohl die Temperaturen gemächlich sind, nur etwa 2 Grad über Null, daß Isomatte und Schlafsack, sowie ein gutes Zelt sehr wichtig sein können. Der Wind wird gegen Nacht immer stärker, da nützt auch die geschütze Ecke nichts. Mein einwandiges Nylonzelt hat auf dem Dach einen kleinen abnehmbaren Fetzen, unter dem der Wind einfach ins Zelt pusten kann. Der Lärm des Windes auf dem Nylonstoff trägt seinen Teil dazu bei, daß an Schlaf sehr lange nicht zu denken ist. Die Temperatur drückt sich durch die flachgelegenen Daunen und alle Stunde wache ich auf und schlottere wie ein Verrückter. 40% der Körperwärme verliert man über den Kopf. Kein Wunder, weder Mütze noch zuziehbarer Schlafsack schützen meinen vor der Auskühlung. Irgendwann unter dem Klange von aufgedrehten Vierzylindermotoren schlafe ich dann wohl doch ein, doch was ist das für eine Nacht. Durch die Kälte gelingt es mir nicht einen durchgehenden Schlaf zu finden. Mindestens stündlich wache ich aus leichtem Schlummern auf. Das letzte Mal, das ich diesen Anfängerfehler begangen habe, war zu meiner Bundeswehrzeit. Dort versuchte ich eine laue Sommernacht ohne Schlafsack zu verbringen, nicht ahnend, daß die Nordhessischen Sommernächte nicht die allerwärmsten sind.
Gegen Morgen wecken mich meine schmerzenden Nieren und ich beschließe mit dieser Ausstattung hier keine weitere Nacht mehr zu verbringen. Ich will ja nicht den nächsten Monat krank werden und das Tesch-Treffen verpassen, für das ich mich angemeldet habe. Auch zum ersten Mal übrigens.
Am Morgen wärmen sich mein Kumpel Holger und ich erstmal in naheliegenden Restaurant bei einem teuren aber richtigen Frühstück mit warmem Kaffee auf. Dies auch erst, nachdem ich die hygienischen Möglichkeiten, die der Campingplatz bietet voll ausgenutzt habe.
Meinem Vorhaben, schnellstmöglich wieder nach Hause zu fahren folgend, bepacken wir unsere Huddeln wieder und kicken erst einmal. Wie immer, wenn meine rote Honda in der feuchten Kälte stand, ist diese Prozedur sehr langwierig. Mit dem Vergaser scheint irgendwie auch was nicht zu stimmen. Nach einer Weile kommen die umliegenden Knöpfchendrücker auf uns zu und geben gute Ratschläge wie z.B. Zündkerze raus und trocknen, mehr Kraft, hatt´ ich auch mal, andere Technik, iss die Kaputt?, schmeiß weg, usw. Ich fordere alle die keinen Kickstarter haben auf zu schweigen und versuche es weiter. Endlich läuft der Kolben, ein zwei Takte, plöpp, wieder aus. Das gleiche Spiel erneut, einmal, zweimal, zehnmal...irgendwann bleibt der Motor an, das Maschinchen läuft. Also weg hier zur nächsten Autobahn, denn der Ölverlust, meine schmerzenden Nieren und meine Motivationslosigkeit, sowie das schlechte Wetter lassen mich den schnellsten Weg nach Hause suchen. Auf der Autobahn fahren wir, den Oberkörper choppermässig nach hinten gelehnt mit Vollgas bis der Tank leer ist und wir auffüllen müssen. Wir machen eine Pause an der gleichen Stelle, wo wir sie gestern gemacht hatten. Siehe da, der Ölfleck ist auch noch vorhanden. Und weiter geht's durch die Straßen der Pfalz zurück in die Rheinebene. Bei zunehmender Dunkelheit kommen wir zuhause an.
Das nächste Jahr fahr ich da wieder hin, dann aber mit einem guten Zelt, nem warmen Schlafsack und der großen Huddel. Und dann bleib ich bis zum Schluß!
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