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Das riesige Fassungsvermögen der Kisten hätte ich vielleicht hinsichtlich normaler Wäsche, wie Jeans und festem, wasserdichtem Schuhwerk nutzen sollen, aber woher soll ich den wissen, daß Belgien so ein schlammiges feuchtes Dreckloch ist? Alles Erfahrungen, von denen ich das nächste Jahr bestimmt zehren werde. Auch die Wollmütze werde ich nicht mehr vergessen!
Die Route nach Malmedy war wiedereinmal durch den Computer vorberechnet.
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Schnell und kurz sollte die Strecke sein. Naja, als mein Kumpel Holger, mein treuer Begleiter, und ich die Eifel durchquerten, waren die langwierigen Landstraßenpassagen doch sehr ermüdend. Die belgischen Autobahnen sind mit einem Belag versehen, der einen Metzeler Enduro 3 mit relativ neuwertigem Profil innerhalb von 800 Kilometern fast bis auf die Karkasse runterschraddelt. Auf alle Fälle war vom Schlappen hinten nicht mehr viel übrig, als ich von Belgien wieder zuhause ankam.
-Die Reise war unspektakulär und gegen Ende sehr gespenstisch, denn nur sporadisch trafen wir andere Verkehrsteilnehmer. Kaum zu glauben, wie nahe einsame Gegenden sind.
Am Freitag Nachmittag kamen wir in Malmedy an.
Wo ist denn diese Wiese?
Gut, eine Beschreibung hatte mir Bernd Tesch zugeschickt, aber dennoch, unfähig wie ich bin, fand ich den Platz nicht sofort.
Irgendwann kreuzte unsere Spur eine neue GS mit Stollenreifen und Kind auf dem Rücksitz, und wir beschlossen dem Fahrer zu folgen.
Und tatsächlich, er bog´ irgendwann rechts ab, und kam an eine kleine Furt mit einer Brücke. Die BMW fuhr geradewegs durch den kleinen Bach, ich entschloß mich aber für die Brücke.
Das Wasser war mir nicht geheuer und mit voller Ladung war ich auch noch nie im Gelände unterwegs. Blöd, daß meine Domi mit den Koffern so breit baut, denn am Anfang und am Ende der Brücke lagen dicke Wackersteine an der Seite. Natürlich knallte ich am Schluß mit einem Seitenkoffer voll dagegen. Aber: der Koffer hatte damit keine Probleme, der Rest des Moppeds wohl auch nicht.
Also gings weiter einen schlammigen Weg entlang auf eine matschige Wiese, auf der schon eine Menge anderer Moppedtreiber ihre Hobel und Zelte abgestellt, bzw. aufgebaut hatten.
Wir suchten uns erstmal einen Platz für Mopped und Unterkunft und begaben uns dann zu einem Zelt am Eingang des Platzes wo ein älterer bärtiger Herr mit den vielen anderen Ankömmlingen völlig überfordert schien.
Er bestand darauf, uns persönlich die Hand zu reichen, und ich nahm das natürlich gerührt an, aber ich glaube kaum, daß er sich bei der Menge an Leuten jedes Gesicht und jeden Fahrer merken konnte. Egal, abgehakt von der Liste, Bier besorgt und zurück zum Platz. Hier nun war ich glücklich daß ich die Koffer mitgenommen hatte, denn es gab nirgends auch nur eine Möglichkeit sich draufzusetzen, außer auf einige Holzbalken am Feuer. Endlich konnte ich mal mein nagelneues Tunnelzelt, welches ich ein paar Wochen zuvor für einen günstigen Preis als Auslaufmodell erworben hatte, aufbauen. Der Boden war weich, alles kein Problem.
-Ein Tarp hatte ich schon länger und der andauernde Niesel der auf uns herunterfiel ermutigte mich diese Plane schnell auch aufzubauen. So saßen nun Holger mein Kumpan und ich unter dem Tarp auf meinen Koffern, mit kalten Füßen in unseren Stiefeln und erkannten, daß dies hier wohl richtiges Travellerwetter mit richtigen Travellerumständen und richtigen Travellern war.
Travellerumstände bedeutete etwa zwei Chemoklokabinen für etwa 250 Leute, kein Wasser außer dem Bach und keine Verpflegung. Irgendwie gab es wohl man Würstchen und Bier, aber das war alles schon weg und so mußten wir auf unser Mitgebrachtes zurückgreifen. Das war allerdings auch nicht viel.
Auch die Tankversorgung hier machte mir Kopfzerbrechen, aber es stellte sich heraus, daß hier zwar niemand deutsch sprach, aber man wenigstens deutsches Geld nahm. Wenn auch zu ungünstigen Tauschkursen und auch nur in Scheinen. Naja, wieder was fürs nächste Mal gelernt, es lebe der kommende Euro.
Hier waren wieder hauptsächlich BMWs vorhanden, aber auch Africa Twins gabs zuhauf und XTs, DRs und alles was noch irgendwie den Hauch von "Travel" hatte. Ich war der einzige mit einer Domi.
Die Hubraumklasse mit der Holger mit seiner 350er XL hier angekommen war, verwunderte so manchen der ganzen "Traveller" die hier dabei waren. Überraschend daß die meisten der hier anwesenden Reisenden Studenten der frühen Semester waren. Irgendwas hab ich zu meiner Zeit wohl falsch gemacht. Aber die Kohle für ne BMW oder ne AT hatte ich in diesen Jahren leider nicht, sonst hätte ich Bernd vielleicht schon früher kennengelernt.
Tja, heute fällt alles in die spärliche Urlaubszeit, da bleibt nicht viel übrig um "Weltzureisen".
-Holger und ich fühlten uns nicht allzu wohl hier, denn das massive Auftreten von Jungstudenten und unechten Motorradfahrern ergaben eine anonyme Menge, mit der es schwer war warm zu werden. Die hauptsächlichen Gesprächsthemen dieser BWL-Zielgruppe beschränkte sich auf berufliche Aussichten und Afrikareisen, die ihnen der Papa finanziert hatte. Zwar machten wir einige neue Bekanntschaften, aber bis auf zweien blieb es bei oberflächlichem Moppedbegutachten und gegenseitigem "ich bin ein echter Moppedfahrer"-Gehabe. Die wirklichen Traveller waren wohl auch nur wenige, die standen alle um Bernd herum, bzw. fürchteten die andere Meute, wie auch wir es taten.
Angenehm aufgefallen waren uns zwei Ruhrgebietler, der eine mit einer neuen dicken GS, der andere mit ner XT, die uns wegen Holgers ungewöhlichem Mopped ansprachen. Der XT-Treiber wurde gegen Abend immer voller und redseliger und auch aggressiver, was wohl mit seiner nicht glücklichen ehelichen Situation zu tun hatte, wobei seine Frau von Bier zu Bier häßlicher wurde. Am nächste Morgen war ihm die ganze Sache wohl so peinlich, daß er mit versoffenen roten Augen schweigend den Platz mit seiner XT verließ und sich auf den Nachhauseweg machte. Sein Kumpel, der mit der BMW, war einer von der lockeren und lustigen Sorte. Er hatte im Gegensatz zu vielen anderen, so schien es mir, keine Selbstwertprobleme oder Hemmungen. Mit ihm war es möglich sich ehrlich und natürlich zu unterhalten, ohne irgendwie aufpassen zu müssen was man sagt, oder wie man wirkt. Nein, leider hatte man nie die Gelegenheit jemals mit dem Motorrad durch die Wüste zu fahren, Nein, die Panamericana kenne ich auch nicht. Australien? Liegt das nicht im Süden? Ganz schön beschissene Gegend hier um diese Jahreszeit was? Nö, ich komm wohl nächstes Jahr auch nicht wieder hierher!
Auf alle Fälle waren die menschlichen Lichtblicke die Ausnahme, viele äußerten eine seltsame Arroganz, eine komische Verkrampftheit. Wahrscheinlich konnte man echte Reisende an einer Hand abzählen und der verkappte Rest traute sich nur nicht, zuzugeben, daß sie auch noch nie weiter als Wanne-Eickel gekommen waren.
Wie dem auch sei, die Zeit trübt den scharfen Blick auf die Geschehnisse, und so hab ich mir fest vorgenommen, in diesem Jahr wieder mit meinem Begleiter Holger nach Belgien zu fahren, um dort mit echten Reisewilligen und Reisenden ein kaltes, feuchtes und eigentlich total überflüssiges Wochenende zu verbringen.
Die fehlende Möglichkeit Trinkwasser zu besorgen, wurde durch den benachbarten Campingplatz behoben. Nachdem ich meinen 5-Liter Faltkanister aufgefüllt hatte stampfte ich mit schlammigen SIDI´s wieder zurück zur Wiese. Der Abend kam, hier in einem Tal besonders schnell und kalt. Die aufziehende Feuchtigkeit verstärkte sich zügig, so daß ab einer gewissen Zeit nur noch der Schlafsack oder das Feuer akzeptable Aufenthaltsorte darstellten. Holger und ich machten uns kurz vor Geschäftsschluß nochmals auf den Weg, um unsere Biervorrat zu vervollständigen, denn hier beim Tesch-Treffen gab es eigentlich ganz und gar nichts. Zum Glück hatte ich 50 Belgische Francs, die gerade so für einen Sixpack billigsten Wasserbieres reichten, und so machten wir uns auf den Weg zurück. Im nächsten Jahr werden wir darauf vorbereitet sein, meine Kisten bieten nicht umsonst genügend Platz für solche Dinge.
Auch trafen wir hier die Dame, die mir noch zwei Wochen zuvor meinen neuen Schlafsack verkauft hatte. Kaum zu glauben, aber sie und ihr Anhang bekamen den Titel "Miss Traveller 98" am nächsten Tag auf der Versammlung in einer Schenke in Monschau-Höfen. Und das auch nur, weil sie die "Älteste" war. Und das mit knappen 40 Jahren.
Die Nacht verbrachte ich relativ warm und gemütlich. Zwar erwies sich mein Zelt enger als erwartet, aber nachdem ich all mein Zeug in das Innenzelt verschafft und die beiden Koffer ins Atrium geschoben hatte, wurde es doch ganz schummrig. Aber die feuchte Luft des Tales machte auch meiner besseren Ausrüstung erneut zu schaffen. Vielleicht lag es aber auch nur daran, daß ich ein verwöhnter Warmduscher bin, denn am nächsten Morgen sah ich Bernd Tesch, wie er unter fast freien Himmel in einem offenen Bierzelt seinen Rausch ausschlief.
"Bei meinen Treffen hat es in zwanzig Jahren nie eine Schlägerei oder irgendwelche Probleme gegeben", versprach Tesch auf seiner Internetseite, bzw. in seinem "Katalog", einer Ansammlung schlechter Kopien, vollmundig.
Komischerweise fiel mitten in der Nacht ein Stockbesoffener auf das Zelt meines unglückseligen Nachbarn. Die dünnhäutige Zeltwand verschaffte mir einen etwas falschen Eindruck, denn zuerst glaubte ich, er wäre auf einen Teil meines Zeltes gefallen. Dem war zum Glück nicht so, denn das betroffenen Zelt war doch gut 2 Meter entfernt. Ich brauchte dennoch eine Weile, bis ich aus meinem zugebauten Schlafplatz herausgekrochen war und dem Unglückseligen bei der Reparatur behilflich sein konnte. Komisch, von den sonst so behilflichen Travellern zeigte sich niemand. Die Problematik eines offenen Zeltes bei Regen schien ein einfaches Problem zu sein, das jeder Betroffene einfach selber lösen durfte. "10 Jahre alt, Schottland und Irland überlebt, und dann fällt so eine Sau drauft!", bemerkte der Bursche, als wir versuchten meine Reparaturhülsen für die Fixierung der Zeltgestänge zu nutzen. Leider vergeblich. Und so mußte er sich am nächsten Tag mit kaputtem Zelt, nassen Hosen und einer Menge Wut im Bauch, denn der Verursacher war auf nimmer wiedersehen entschwunden, auf den Heimweg machen.
Der nächste Tag bot eine Versammlung mit Mittagessen in einer Gastwirtschaft in Monschau-Höfen, einer kleinen Ortschaft in Deutschland, an der Belgischen Grenze. Es schien wohl das meistbesuchte Tesch-Treffen seit Anbeginn zu sein, denn die etwa 300 Leute wollten alle die Diavorträge im Saal mitverfolgen. Wir hielten uns für schlau, als wir unter den ersten am Ort ankamen und unsere Moppeds auf dem anliegenden Parkplatz parkten. Schlau deswegen, weil unsere beiden Moppeds innerhalb weniger Minuten völlig zugestellt waren, und wir so gezwungen waren so lange dort zu verweilen, bis der restliche Haufen wieder weggefahren war. Und ich Knallkopf hatt auch noch meine Koffer am Träger festgemacht, so daß ich mit meiner Überbreite erst recht keine Chance auf frühere Abreise sah. Im Saal herrschte eine ganze Weile lang das Chaos. Die etwa 100 Plätze waren Ruckzuck mit 200 Leuten besetzt, die anderen hundert standen überall verstreut rum. Da Motorradfahrer Helme und dicke Jacken zu nutzen pflegen, war das Platzproblem auch nicht einfacher zu lösen. Egal, ich und Holger saßen relativ bequem und bestellten Schnitzel mit Pommes, wie etwa 250 andere Personen.
Uns gegenüber saß ein jüngerer Mann, der irgendwann damit begann, uns seine Meinung über den armen Bernd Tesch und dessen Schulden zu erzählen. Zum Glück begann irgendwann die Show und nachdem Tesch in schlechtem Englisch seine Grüße und Titelverteilung beendet hatte, bei denen er immer wieder zwischen den Sprachen hin und hersprang, erzählten einige der Reisenden von ihren "Travels" mit Hilfe diaprojektorischer Unterstützung. Nach zwei Stunden hielten Holger und ich es einfach nicht mehr in diesem Hühnerstall aus, und so vesuchten wir uns wieder auf den Rückweg zu machen. Dies war zuerst nicht allzu einfach, denn die Maschinen waren immer noch zum großen Teil zugestellt. Irgendwann erging es dann wohl auch einigen Anderen so wie uns, und so konnten wir unsere Moppeds durch die anderen hindurchmanövrieren und losfahren.
Der Abend wiederholte sich mit Bier, Feuer, und blödem Geschwafel, wobei nun auch noch eine Spätankommerin aus Stuttgart mit einer alten CB, begann andere Leute penetrant vollzulabern. Dabei streckte sie dem Unglücklichen ihr Gesicht Nasenspitze an Nasenspitze und hörte wirklich nicht mehr mit dem reden auf. Leider war auch ich eine Weile lang ein Betroffener doch irgendwie konnte ich sie an Holger weiterleiten. Dieser machte ihr mit seiner unvergleichlich direkten Art verständlich, daß sie Land gewinnen solle und so suchte sie sich neue Opfer aus. Auch sie verließ am nächsten Morgen, genau wie der XT-Treiber schweigend den Ort des Geschehens und ward verschwunden.
Die hygienischen Umstände dieses Ortes waren doch etwas sehr kläglich, aber ich war doch sehr erleichtert eine der cheimschen Toiletten früh am morgen ungestört aufsuchen zu können. Allerdings bot sich mir dort ein Anblick der die sanften Gemüter eher erschaudern lassen würde. Nachdem also auch dieses schwierige Problem erledigt war, konnten Holger und ich uns auf die vor uns liegende Rückfahrt vorbereiten. Wir packten also unsere sieben Sachen wieder ein, inklusive eines Haufen Schlammes und Schnecken, und begaben uns wieder auf den Heimweg.
Ich verließ die Wiese ebenfalls über die Brücke, nur diesmal krachte mein anderer Koffer in den Stein, und bis auf einen abgefallenen Blinker kamen wir irgenwann ohne besondere Vorkommnisse zu Hause an.
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